Japan GAU – Was ich nicht verstehe

Das Unglück in Japan (der sog. GAU) hat die Welt und ganz besonders die Medienlandschaft fest in seiner Hand. Obwohl Erdbeben und Tsunami an sich schon ausreichend schrecklich wären um einige Tage drüber zu berichten, ist die Situation im Atomkraftwerk Fukushima I immernoch bedrohlich und wahrlich noch nicht ausgestanden. Immer wieder wird in den Medien darüber berichtet, updates gegeben, Experten befragt und erklärt wie es zu der Situation kommen konnte und was uns ggfs. noch so erwarten könnte.

Da ist die Rede von ausgefallenen Kühlsystemen, so dass die Brennstäbe nicht mehr ausreichend gekühlt werden können, selbst die, die eigentlich garnicht mehr benutzt werden. Bislang war ich immer der Meinung man steckt die Regelstäbe zwischen die Brennstäbe und der ganze Spuk hat ein Ende. Aber weit gefehlt. Die Reaktion klingt nur langsam ab und solange muß gekühlt werden. Wieder was gelernt. Aber das war nicht das einzige was ich in den letzten Tagen gelernt habe und dennoch ist es eine Tatsache die mich nun schon einige Zeit beschäftigt. Warum?

Naiver Lösungsansatz um den GAU zu verhindern?

Wenn ich die Informationen alle richtig sortiert habe, ist folgendes passiert:

  1. Das Erdbeben hat einen Großteil der Atomkraftwerke zur Abschaltung gebracht, Notstromaggregate erzeugten danach den benötigten Strom für die Kühlpumpen
  2. Der Tsunami überrollt das AKW und beschädigt/zerstört die Dieselaggregate. Die zweite Redundanzstufe setzt ein und das Kühlsystem wird über Batterien versorgt
  3. Nachdem die Batterien den Kreislauf nicht mehr aufrecht erhalten können erhitzt sich das Wasser so stark, dass es verdampft und einen erheblichen Druck im Reaktor aufbaut. Die Stäbe erhitzen sich teilweise soweit, dass Wasserstoff entsteht, dass letztlich auch zu einer Explosion führt (Stichwort: Zeppelin Hindenburg)
  4. Kann die Kühlung nicht wiederhergestellt und aufrechterhalten werden, droht eine Kernschmelze und vermutlich unweigerlich ein sogenannter Super-GAU

Alles klar soweit. Jetzt kommen wir zu meiner Frage. Das Kühlsystem ist meines Wissens ausgefallen, weil kein Strom mehr vorhanden ist. Inzwischen wird sogar versucht eine Starkstromleitung von woanders her zu legen. Jetzt sind die Pumpen aber doch in einem Atomkraftwerk untergebracht, das weiterhin das Wasser im Reaktor erhitzt, das sonst zum Betrieb der Turbinen und damit zur Stromerzeugung verwendet wird. Für meine Begriffe liegt nun nahe, einfach wie zuvor den Wasserdampf durch die Turbine zu jagen und den dadurch entstehenden Strom in den Kühlkreislauf einzuspeisen.
Aus meiner Sicht hätte das mehrere Vorteile:

  1. Der Druck im Reaktor sollte deutlich langsamer steigen, weil dem heissen Dampf Energie zur Stromerzeugung in der Turbine entzogen wird
  2. Der entstehende Strom wird sofort an der Stelle produziert, wo man ihn braucht
  3. Das Kühlsystem kann wieder seine Arbeit aufnehmen
  4. Die Stäbe werden gekühlt und klingen mit der Zeit ab, bis sie so kalt sind, dass kein Dampf und damit auch kein Strom mehr produziert wird
  5. Bis dahin könnte man in Ruhe eine weitere stabile Stromversorgung aufbauen

Vermutlich ist es für solcherlei GAU-vermeidenden Maßnahmen inzwischen zu spät und es mag sein, dass diese Interpretation sehr naiv gedacht ist. Aber ich komme einfach nicht drauf, warum das nicht funktionieren sollte. Kann mir jemand auf die Sprünge helfen?

4 Comments

  1. Siehe Quarks & Co. vom vergangenen Dienstag: In KKW gibt es mehrere verschiedene Kreisläufe für Wasser, die voneinander getrennt sind und ganz unterschiedliche Zwecke erfüllen.

    Hier ist eine schematische Darstellung eines Siedewasserreaktors zu sehen:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Siedewasserreaktor

    Der Kühlkreislauf ist ausgefallen und im Druckwasserbehälter ist kein Wasser mehr vorhanden. Ohne funktionierenden Kühlkreislauf ist es verdampft.

    Jetzt sind die Pumpen aber doch in einem Atomkraftwerk untergebracht, das weiterhin das Wasser im Reaktor erhitzt, das sonst zum Betrieb der Turbinen und damit zur Stromerzeugung verwendet wird.

    Das ist, glaube ich, eine Fehleinschätzung.

    Im Reaktor sind nur noch die Brennstäbe und eine Menge Dampf, der ohne den Strom und ohne funktionierendes Kühlsystem nicht mehr umgewälzt werden kann.

    Dort ist also eine mehr oder weniger unkontrollierbare Kettenreaktion ingange. Dadurch steigt die Temperatur evtl. so hoch dass die Brennstäbe schmelzen könnten. Das versucht Tepco derzeit zu verhindern, indem der Reaktor von außen gekühlt wird, per Hubschrauber oder Feuerwehrfahrzeugen.

    Zu Anfang hat man noch versucht, den Raum, in dem der Reaktordruckbehälter steht, selbst mit Wasser zu füllen. Da der Druckbehälter so heiß wurde, begann das ihn umgebende Wasser zu kochen. Dabei entstand Wasserdampf, der sich so stark ausdehnte, dass es zu den Explosionen kam, die man im Fernsehen sehen konnte.

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    • Hallo Jan,

      vielen Dank für deine Einschätzung und Erklärung. Habe ich soweit auch verstanden.
      Ich hatte ja schon geschrieben, dass es inzwischen dafür zu spät sein wird, weil einfach kein Wasser mehr im Reaktor ist. Die Frage ist aber vielmehr, hätte es was gebracht und damit die Situation vielleicht deutlich entspannt, wäre man diesen Weg zu einem Zeitpunkt gegangen, zu dem es noch ausreichend Wasser im Reaktor gab?

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  2. Also ich habe damals im Physikunterricht gelernt, dass KKW auf externen Strom angewisen sind, sobald sie sich „in Abschaltung“ befinden. Entsprechendes steht auch in der Wikipedia:

    „Die Kühlung ist die Achillesferse nuklearthermischer Kraftwerke. Der Zerfall der beim Spaltungsprozess erzeugten Nuklide führt zu einer großen Wärmeentwicklung, die die Anlage zerstört, wenn sie nicht abgeführt wird. Da diese Wärmeproduktion auch lange nach einer Abschaltung oder Notabschaltung noch anhält (Nachzerfallswärme), befindet sich die Anlage genau im kritischen Moment der (Not-) Abschaltung in der Situation, dass sie nur bei systemexterner Energiezufuhr (Netzstrom, Dieselaggregate, Batterien) in einem thermischen Gleichgewicht gehalten werden kann.“

    Das ist wahrscheinlich genau die Achillesferse, die sich hier als fatal erwiesen hat.

    Vom Konzept her ist es in Siedewasserreaktoren nicht vorgesehen, dass sie sich im Notfall selbst mit Strom versorgen.

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  3. Hallo Thorsten,

    ich gebe soweit recht, als dass du keinen Kreislauf mehr hast.
    Durch das kühlen, läuft der Kreislauf von Verdampfen -> Turbine antreiben -> Kondensieren -> wieder erhitzen/verdampfen nicht mehr/ kommt nicht mehr in Gang.
    Im Prinzip ist dieser Vorgang ein Stirling-Kreisprozess (siehe https://secure.wikimedia.org/wikipedia/de/wiki/Stirling-Kreisprozess).
    Bitte korrigiert mich jemand, wenn ich falsch liege.

    Viele Grüße aus München
    Christian

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